Auf dem Flohmarkt
(Eine Kurzgeschichte von Dieter Kermas)
.Nein, Pilze zu suchen, danach stand mir heute nicht der Sinn. Mein Freund wünschte mir noch ein erholsames Wochenende und legte enttäuscht den Hörer auf. Bei diesem schönen Herbstwetter daheim zu versauern wollte ich jedoch auch nicht. Lange nicht über den Flohmarkt gelaufen, dachte ich, und zog mir im nächsten Moment meine warme Outdoorjacke an.
Es war bereits nach sieben Uhr und die Parkplätze in der Nähe des Marktes, an der Straße des 17. Juni, waren besetzt. Unter einer Brücke quetschte ich mich zwischen zwei Lieferwagen, die sicher den Händlern des Marktes gehörten.
Die Frühaufsteher und auch einige Händler bummelten an den Ständen vorbei. Selbst wenn sie etwas Kaufenswertes in der Hand hielten, versuchten sie gelangweilt und desinteressiert auszusehen. Ich schloss mich dem langsam treibenden Menschenstrom an, blieb ab und zu stehen, betrachtete hier einen alten Fotoapparat, dort eine Jugendstilvase und hatte nicht die Absicht etwas zu kaufen.
Ballten sich die Menschen an einem Stand, musste etwas Besonderes feilgeboten werden. Die angestammten Händler waren die Ersten, die die Waren von neuen Verkäufern durchwühlten, um eventuell etwas für den eigenen Verkaufstisch zu finden.
Ich stellte mich auf Zehenspitzen und schaute über die Menschenmauer auf die ausgelegten Waren. Als ich einen recht alten, zerzausten Teddy erblickte, überlegte ich, ob er von Firma Steiff sein könnte. Das Bärchen wurde sicher einst heiß geliebt, doch jetzt lag es zum Verramschen auf dem Tisch. Ehe ich mich näher herangearbeitet hatte, langten zwei Hände von verschiedenen Seiten nach dem Stofftier. Eine Hand erwischte ihn am Bein, die andere am Kopf. Ein kurzes Gezerre und der Sieger hatte den Teddy, aber einen Teddy, an dem nun das Bein fehlte. Der Verlierer, es war eine Verliererin, legte rasch das abgerissene Bein auf den Tisch und verdrückte sich in der Menschenmenge. Die Händlerin hatte diese Schandtat sofort erkannt und forderte den Mann, der den einbeinigen Teddys in der Hand hielt, nun auf, ihn zu kaufen. Er argumentierte, dass er den Teddy vielleicht gekauft hätte, aber nur wenn er zwei Beinen gehabt hätte. Sie keifte, er verteidigte sich und ich verzog mich belustigt rückwärts aus der Menge.
Einige Händler, die später gekommen waren, hatten inzwischen die Waren ausgebreitet und ich gedachte, mir die Stände auf meiner nächsten Runde anzusehen.
Gleich am Anfang der zweiten Standreihe hatte ein Mann einen ausgedehnten Stand mit Hausrat und Kleinmöbeln aufgebaut. Nur wenige Flohmarktbesucher blieben stehen, um die Ware zu betrachten. Ich warf einen kurzen Blick auf die, teilweise noch in Kartons verstauten, Sachen. Gerade war ich im Begriff weiterzugehen, als mein Blick auf eine rosa Kaffeekanne fiel, die sich unter einem Warmhalteschutz aus silberglänzendem Metall befand. So eine Kanne hatte auch meine Mutter besessen. Der Händler sah meinen Blick auf die Kanne, nahm sie und streckte sie mir entgegen. Aus reiner Neugier nahm ich sie, betrachtete sie von allen Seiten und ließ sie fast fallen, ehe ich sie hart auf den Tisch zurückstellte. Das konnte nur die Kanne sein, die meiner Mutter gehört hatte, schoss es mir durch den Kopf. Es war sicher kein Zufall, dass die Delle im Blech des Schutzmantels genau so aussah wie die an Mutters Kanne. Ich selbst hatte sie bei einer unvorsichtigen Bewegung eingedellt. Mein nächster Blick wanderte zögernd über die anderen Sachen und erblickte im Karton zu meinen Füßen sofort weitere, mir vertraute, Gegenstände aus Mutters Haushalt. In meinem Magen verspürte ich ein flaues Ziehen und schlagartig fühlte ich, wie es in meinen Ohren zu rauschen begann. Nur nicht umfallen ging es mir durch den Sinn.
Gedämpft hörte ich den Händler etwas sagen, konnte es aber im Moment nicht verstehen. Vielleicht hatte er gesehen, dass ich blass geworden war. Ich hielt mich an der Tischkante fest und versuchte tief atmend wieder klar zu denken.
Als eine Frau in diesem Moment die Kanne in die Hand nahm, war ich kurz davor, sie ihr aus der Hand zu reißen. Ich nahm mich zusammen und besah mir den Verkäufer genauer. Nein, er war es nicht, der vor einigen Wochen den Hausrat meiner Mutter aufgekauft hatte. Solange sie lebte, hatte sie all ihre Sachen sehr sorgfältig behandelt. Jetzt lagen sie hier dem Feilschen und den neugierigen Blicken der Käufer ausgesetzt.
Ehe ich mich wieder völlig erholt hatte, beugte sich bereits ein anderer Käufer über den Karton, nahm Mutters kleine Messinggießkanne heraus, betrachtete sie kurz, und als er den verlangten Preis zu hoch empfand, warf er sie achtlos zurück.
Jetzt war es für mich höchste Zeit diesen Ort zu verlassen. Meine Gedanken schwirrten ungeordnet durch den Kopf und ohne auf den Weg zu achten, fand ich zurück zu meinem Wagen. Ich saß da, hatte keine Kraft loszufahren und mir ging durch den Kopf, wie es wohl meinen Sachen eines Tages erginge. Würden sie auch auf einem Flohmarkt landen?
Diese Vorstellung reichte aus, um das Wochenende recht nachdenklich zu verbringen.
.© Dieter Kermas
Photo: © Lausitzhalle Hoyerswerda GmbH—————————————————————————————————————-

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