Ehrenrettung
(Eine Kurzgeschichte von Dieter Kermas)
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Ich sitze auf dem Fensterbrett und lasse meine Schnurrhaare durch die Pfoten gleiten. Oh, ich vergaß zu erwähnen, ich bin eine Maus. Eine ganz gewöhnliche graue Hausmaus.
Na und werden sie jetzt sagen, was kann eine Maus erzählen, dass sich das Weiterlesen lohnt?!
Ich sage es ihnen. Mein kleines, kurzes Mäuseleben habe ich der Ehrenrettung unserer Art gewidmet. Ich höre bereits ihren Einwand, von wegen Nagerplage und so. Und was können wir dafür, dass Damen bei unserem Anblick spitze Schreie ausstoßen. Ich gebe zu, dass eine angeknabberte Müslitüte und ein angenagtes Frühstücksbrötchen sicher Grund genug sind, um eine Falle aufzustellen oder Gift zu streuen.
Halt, werden sie bitte nicht ungeduldig. Ich erzähle ihnen nun, wie unsere Art verkannt wird und sie werden am Ende verstehen, wie berechtigt eine Ehrenrettung für uns ist.
Wie niedlich fanden sie die Micky-Maus, als sie klein waren. Wie begeistert waren sie, als sie mit ihrer ersten schwanzlose Funkmaus den PC bedienten. Wie freute sich ihre Katze, als sie eine Gummimaus zum Spielen bekam und wie stolz war ihr Sohn, als er seinen Freunden die weißen Mäuse vorführen konnte. Besonders schön fanden sie es, als ihr Partner ihnen „mein Mäuschen“ ins Ohr flüsterte und ein Portemonnaie voller „Mäuse“ macht sie glücklich.
Sogar ihre Sprache ist durch uns lebendiger geworden. Wenn es mäuschenstill ist, kann sich jeder darunter etwas vorstellen. Werden sie nach der Farbe gefragt und sie sagen es ist mausgrau, weiß jeder Bescheid. Dass der Mäusebussard nach uns genannt wurde, macht uns nur bedingt stolz, da wir seine Leibspeise sind.
Vielleicht ist es paradox, wenn sie feststellen, dass ihre Katze eines Tages mausetot ist. Trifft es aber in der Sache. Selbst im Sprichwort „Die Katze lässt das Mausen nicht,“ sind wir vertreten. Weil unsere Ohren so niedlich sind, hat man sogar eine Pflanze „Mäuseohr“ genannt.
Denken sie an die Tausende von Labormäusen, die ihr Leben für ihre Gesundheit opferten, ehe sie unsäglich gequält im Abfall landeten.
Allein für sie sollte es ein Mäusedenkmal geben.
Haben sie mal im Zoo gesehen, wie unsereins lebendig an Schlangen verfüttert wurde? Kein schöner Anblick, oder?!
Sollten sie nun etwas nachdenklich geworden sein, gut so.
Mir wird es leider nicht vergönnt sein, ein Denkmal für uns zu errichten.
Erzählen sie deshalb ihren Freunden und Bekannten was sie eben gehört haben.
Damit würden sie etwas zu unserer Ehrenrettung beitragen.
Komme ich dann durch eine Falle oder durch die Katze in den Mäusehimmel, so war mein Mäuseleben auf der Erde nicht vergebens.
© Dieter Kermas
Image: Pixabay.com
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Dieter Kermas, CaliforniaGermans Author and a true Berliner, turned to writing after he retired from his profession as an engineer. Family and friends urged him to document his many experiences during his childhood in wartime Germany. This made for a collection of various essays which have been published here at CaliforniaGermans. (You can find the stories here on CaliforniaGermans.com by putting “Dieter Kermas” into the Search Box.) Apart from his childhood memories he is also sharing some of his short stories and poems on CaliforniaGermans. Dieter Kermas, who loves to write, is currently working on his first novel. Some of his work has been included in anthologies.
To get in touch with Dieter Kermas, please send an email with subjectline “Dieter Kermas” to: californiagermans@gmail.com
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