Frühlingserwachen
(Eine Kurzgeschichte von Dieter Kermas)
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Die warme Sonne lockt mich zu einem ersten Spaziergang in den Frühling.
Endlich die trüben Tage des nasskalten Winters hinter sich lassen und in der erwachenden Natur die Lebensgeister mit neuer Kraft stärken.
Doch, was ist das?
Die stille Natur empfängt mich mit einem Getöse, dass mir die Sinne schwinden.
Das lärmende Geläute der Schneeglöckchen reißt mich aus meinen tiefen Gedanken. Mit lautem Knall bersten die Knospen der Buche über mir, und ringsum schießen die Krokusse lautstark aus dem Boden. Erschrocken lehne ich mich an den Stamm einer Birke und erhalte einen mächtigen Tritt ins Kreuz. Ach so, ich vergaß, dass die Bäume im Frühling ausschlagen. Vom nahen Teich dringt nervtötendes Tröten des Froschblasorchesters in mein Ohr.
In diesem Moment steuert eine viermotorige Hummel mit ohrenbetäubendem Gebrumm auf meinen Kopf zu. Ich kann gerade noch den Kopf zu Seite nehmen, um einen Aufprall zu entgehen. Ich höre wie betäubt, die Vögel, ihre Liebeslieder in den blauen Himmel brüllen, da lässt mich ein Tackern, wie von einem Maschinengewehr in volle Deckung gehen. Gottlob ist es nur ein Specht, der eine Nisthöhle aushämmert. Ehe ich mich vom Boden aufraffe, höre ich dicht neben meinem Ohr ein verdächtiges Knistern, doch, es ist nur das Gras, das sich wachsend der Sonne entgegenreckt. Ein Eichhörnchen hat eine Nuss seines Wintervorrates wiedergefunden und lässt sie in diesem Augenblick auf meinen Kopf fallen. Jetzt reicht es mir. Ich flüchte.
Ehe ich das schützende Heim erreiche, fegen mir heftige Windstöße Staubfahnen in die Augen. Halb blind übersehe ich die heranrasenden, tiefschwarzen Gewitterwolken, die ohne Vorwarnung ihre Frühlingswassermassen über mich ergießen. Ich vermeine sogar, einige Hagelkörner auf der Haut zu verspüren.
Tief gebeugt und schwankend patsche ich durch die knöcheltiefen Pfützen, um mich in Sicherheit zu bringen. Ein seitlich vor mir einschlagender Blitz erschreckt mich bis ins Mark und der nachfolgende Donner raubt mir vollends das Gehör.
So schwer gezeichnet, schleppe ich mich ins Haus, ziehe die Vorhänge zu und verstehe nach diesem Tag beim besten Willen nicht, wie Poeten liebliche, euphorische Frühlingsgedichte zu schreiben vermögen.
©Dieter Kermas
Image: Pixabay.com
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Dieter Kermas, CaliforniaGermans Author and a true Berliner, turned to writing after he retired from his profession as an engineer. Family and friends urged him to document his many experiences during his childhood in wartime Germany. This made for a collection of various essays which have been published here at CaliforniaGermans. (You can find the stories here on CaliforniaGermans.com by putting “Dieter Kermas” into the Search Box.) Apart from his childhood memories, he is also sharing some of his short stories and poems on CaliforniaGermans. Dieter Kermas, who loves to write, has published his first novel “Kolja. Liebe im Feindesland” in 2016, available on Amazon.com. Some of his work has been included in anthologies.
To get in touch with Dieter Kermas, please send an email with subject line “Dieter Kermas” to californiagermans@gmail.com
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