Gelbe Socken
(Eine Kurzgeschichte von Dieter Kermas)
.„Am nächsten Wochenende bin ich in Berlin. Wann können wir uns treffen“, tönte Peters unverkennbare, aber bereits etwas amerikanisch eingefärbte Stimme aus dem Hörer. „Kommt Christa mit?“, fragte ich. „Nein, sie hatte keinen Lust auf den Jetlag“, frotzelte mein Freund. Das Treffen wurde für sonnabendnachmittags vereinbart.
Seit fast vierzig Jahren lebte mein Schulfreund nun bereits in den Staaten, in San Francisco. Mein Frauchen überlegte hin und her, was sie Peter Besonderes zum Essen anbieten könnte. Selbstgebackenen Pflaumenkuchen zur Kaffeezeit und zum Abend Peters Leib-und Magengericht „Kalbsleber mit leicht gebratener Apfel-Zwiebelbeilage und Kartoffelpüree“.
Am Sonnabend, so gegen fünfzehn Uhr klingelte es, und mein alter Freund stand mit einem Blumenstrauß vor der Tür. „Hier ist die Gemüsebeilage für das Essen“, meinte er breit grinsend und übergab Helga die Blumen. Beim Kaffeeklatsch wurden die wichtigsten Neuigkeiten ausgetauscht, kommentiert und durchgekaut. Später, nach dem Essen, setzten wir uns in die gemütliche Sesselecke. Ich öffnete eine Flasche Pinot Noir, ließ den Wein noch etwas Zimmerluft schnuppern, schenkte die Gläser voll, und wir begannen alte Zeiten wiederzubeleben. Mit den Worten: „ Ich lasse euch jetzt lieber allein“, entschwand mein Frauchen in die Küche.
Wer von uns mit den Worten „Weißt du noch?“, angefangen hatte, ist mir nicht mehr in Erinnerung. Bald reihte sich eine Geschichte an die andere, und manch herber Jugendstreich ließ uns vor Freude im Nachhinein jauchzen.
„Kannst du dich noch an die weißen Nylonhemden erinnern, sie hießen Nyltesthemden, glaube ich, die in den Fünfzigern absolut „in“ waren?“, fragte ich. „Ja, das waren noch Zeiten“, schwärme Peter. „Diese Qualität kannst du heutzutage suchen. Die Hemden hat Mutter gewaschen, aufgehängt und in kurzer Zeit waren sie trocken.“ „Und sie waren glatt wie gebügelt“, ergänzte ich begeistert.
„Sie hielten viele, viele Wäschen aus, ohne die Form zu verlieren oder zu verschleißen“, meinte Peter. „Du weiß doch noch, wir haben sie erst aussortiert, wenn sie sich mit der Zeit gelblich zu verfärben begannen “, stimmte ich ihm zu.„Ich denke, dass diese Hemden die haltbarsten Kleidungsstücke waren, die damals hergestellt wurden“, war sich Peter sicher.
Wir schwiegen, hingen in Gedanken den Worten nach und nippten am Wein.
„Du hast recht, sie waren super haltbar, aber ich erzähle dir jetzt von einem Kleidungsstück, das noch viel haltbarer war“, nahm ich den Faden wieder auf. Mit einem: „Gibt es nicht“, zweifelte Peter meine Behauptung an.
„Du warst erst einige Monate in den Staaten, als du mir zum Geburtstag ein Päckchen schicktest“, begann ich. „Als Geschenk hattest du mir auch ein Paar kanarienvogelgelbe Socken eingepackt. Diese Socken, vielleicht waren sie aus Nylon, vielleicht aus Perlon, wer weiß, jedenfalls diese Socken schlugen alle Rekorde in Punkto Haltbarkeit. Besonders gut machten sie sich zu meinen khakifarbenen Sommerhosen der Amis, die ich im US-Stegwaren Laden gekauft hatte.
Ich weiß heute nicht mehr genau, wie viel Jahre sie gehalten haben. Mehr als zehn Jahre konnte ich mich sicher nicht von ihnen trennen. Die Unterseiten der Socken verloren mit der Zeit zwar die Farbe und sie leierten am Rand etwas aus, aber das war auch alles was sich an Verschleiß zeigte. So wurden sie leicht unansehnlich, aber es gelang mir nicht Löcher in sie zu laufen. Am Ende ihres Sockendaseins trug sie sogar noch meine Mutter bei der Gartenarbeit“, mit diesen Worten beendete ich meine Lobrede auf die Kanariensocken.
„Von dieser Qualität kannst du heute nur träumen“, pflichtete mir mein alter Freund bei, hob das Glas, und wir tranken auf die guten alten Socken.
.© Dieter Kermas
————– Photo: © nobazoo.de -BVB Socken—————————————————————————————————————–

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