Essays by Dieter Kermas – (Part 17)
.Do you have chewing-gum?
Recht früh stellte ich fest, dass Fremdsprachen nützlich sein können. Mein ganzer Wortschatz bestand aus den Fragen » Do you have chewing-gum?! und »Do you have cigarettes?« Meine Frage danach wurde oft durch ein lässig hingeworfenes Päckchen Kaugummi oder durch eine oder zwei Zigaretten belohnt.
Mein festes Jagdrevier befand sich an der Hauptstraße Ecke Hähnelstraße. Die Kneipe dort hatte sich zum Treffpunkt der Amerikaner gemausert. Hier lauerten wir, Peter und ich, auf die Soldaten, wenn sie mit einem Jeep ankamen, oder volltrunken am Abend das Lokal verließen. Es kam häufig vor, dass zur späten Stunde Schlägereien entstanden, oder die Soldaten die Zeche nicht bezahlen wollten. Dann rauschte die Militärpolizei »MP« heran. Die besonders großen und kräftigen Kerle machten nicht lange Federlesens, zogen den Randalierern eins mit dem Hickory-Schlagstock über den Kopf, und warfen sie auf einen bereitstehenden Kleinlaster. Dann fuhren sie in Richtung Hauptquartier die Hauptstraße entlang, in Richtung Zehlendorf.
Modellautorennen und Lausbubenstreiche
Wir waren jedoch nicht jeden Tag auf Beute aus. Viel lieber spielten wir in den Ruinen, oder malten mit Stuckstücken als Kreideersatz Rennstrecken auf den Fahrdamm und lieferten uns heiße Rennduelle mit unseren kleinen Flitzern auf diesen Kreidepisten. Eines dieser etwa zwölf Zentimeter langen Autos zu besitzen, war der Traum eines jeden Jungen. Da gab es Mercedes-Silberpfeile, Ferraris und andere. Sie waren aus Druckguss und besaßen Gummireifen. Damit sie jedoch noch satter und fester auf dem Asphalt rollten, beschwerten wir sie von unten noch mit Knete. Auf dem Fahrdamm konnten wir absolut ungestört spielen, denn Autos fuhren noch recht wenige auf den Straßen.
Wurde uns dieses Spiel zu langweilig, suchten wir andere Betätigungsfelder. So foppten wir ältere Leute, indem wir ein Portemonnaie, an dem wir eine dünne Schnur festgebunden hatten, auf den Gehweg legten und hinter den Büschen versteckt lauerten. Kaum bückte sich der glückliche Finder, als wir blitzschnell das Portemonnaie wegzogen, und uns lachend in Sicherheit brachten. Noch heute höre ich: » Ihr Lausebengel, ihr verdammten!«
Später, ich war so um die acht Jahre alt, begannen wir mit großer Leidenschaft Schlagball zu spielen. Wir organisierten uns Schlagstöcke, malten mit unserer Stuckkreide Spielfelder auf die Fahrbahn und spielten unsere Art Schlagball mit eigenen Regeln. Übrigens habe ich bereits damals bemerkt, dass dieses Spiel nur in der Wielandstraße gespielt wurde. Vor jedem Spiel wurden die Mannschaften ausgelost. Der Gewinner im » Tipp-Topp « durfte mit seiner Auswahl beginnen.
Ach so, was ist » Tipp-Topp « ? Zwei Jungen beginnen, abwechselnd aus einiger Entfernung, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Gewinner ist derjenige, dem es gelingt, zum Schluss, wenn sich beide gegenüberstehen, noch seinen ganzen Fuß in den verbleibenden Platz unterzubringen. Das schöne und schnelle Schlagballspiel wurde entweder nur von einem Auto, oder von dem Klirren einer Fensterscheibe unterbrochen. Die Erkerscheiben der Häuser zeigten leider genau in Schlagrichtung und wurden so Opfer unserer Schlagkraft.
Weil wir gerade beim Thema Fensterscheiben sind, hier muss ich gestehen, dass Vater, wenn ich wieder einmal erwischt wurde, einige bezahlen durfte. So auch die gerade frisch eingesetzte und sicher mühsam in dieser Zeit organisierte Schaufensterscheibe der Reinigung in der Hähnelstraße Ecke Stierstraße. Sie wurde Opfer eines großen Büchsendeckels, mit dem ich leidenschaftlich gerne Weit- und Hochwurf übte.
An anderen Tagen war es uns so langweilig, dass wir weder Lust hatten, nach Wannsee zum Baden zu fahren, noch Schlagball zu spielen. Dann ersannen wir neue Streiche. So spannten wir eines Tages eine Schnur quer über die Straße und warteten auf einen Wagen, einen Motorradfahrer oder einen Radfahrer. Der Tragweite unseres Handelns waren wir uns damals nicht bewusst.
Wir brauchten nicht lange zu warten, da näherte sich auch schon ein Radfahrer. Es war ein alter, langer, dürrer Mann mit einem Zylinder auf dem Kopf und einem Beerdigungskranz über der Schulter. Präzise fegte die Schnur den Zylinder vom Kopf. Wir krümelten uns vor Lachen, aber das dauerte nur einige Sekunden. Wie ein Blitz hatte der Lange sein Fahrrad hingeworfen, sich seines Kranzes entledigt und raste hinter uns her. Nur unsere Ortskenntnisse in den nahe gelegenen Ruinen bewahrte uns vor einer deftigen Tracht Prügel. Später, als wir wieder in Sicherheit waren, waren wir überzeugt, einen Olympiateilnehmer von den Spielen 1936 gesehen zu haben.
Ich gebe es ja zu, einige unserer Einfälle waren hart an der Grenze des Erträglichen. So auch unsere Rache an einem Hausmeister, der uns ständig mit einem Knüppel aus der Nähe seines Hauses vertrieb. Gerade dort bot es sich an, auf dem Fahrdamm zu spielen. Nun hatte er das Pech eine Souterrainwohnung zu bewohnen. Wir warteten auf die Dunkelheit, trugen zu viert eine dieser schweren, eisernen Mülltonnen leise die Treppe zu seinem Eingang hinunter, und lehnten sie ganz, ganz vorsichtig gegen seine Eingangstür. Dann füllten wir die Tonne randvoll mit Wasser, klingelten und suchten das Weite. Aus sicherer Entfernung warteten wir das Ergebnis ab. Ein Urschrei hallte durch die Dunkelheit, und wir stellten uns lebhaft vor, wie ihn die Flutwelle in seine Wohnung geschwemmt hat. Einige Tage machten wir einen Bogen um das Haus. Ich denke, er hätte aus Wut jeden erschlagen, den er erwischt hätte.
(Fortsetzung der Serie am nächsten Sonntag) . Photo Credit: © DDP IMAGES/DAPD/LENNART PREISS – / FAZ , Frankfurter Allgemeine Zeitung – Das Schuco-Modell eines Silberpfeils von Mercedes-Benz———————————————————————————————————————————————
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