Essays by Dieter Kermas – (Part 20)
.RATTENPLAGE
Die Vormittagsprechstunde war vorüber, und Vater saß bereits wieder im Labor, um eilige Reparaturen für den gleichen, oder spätestens für den nächsten Tag zu erledigen. Ich spielte mit unserem Zwergspitz Peggy im Wohnzimmer, als Mutter ins Zimmer kam und sagte: » Ich finde das Eichhörnchen, dass Du wieder ange-schleppt hast ja ganz niedlich, aber was soll das arme Tier im Topflappenkasten über dem Herd?« In diesem Fall war ich ausnahmsweise unschuldig und konnte mit ruhigem Gewissen in die Küche gehen, um nachzusehen. Tatsächlich, da saß ein kleines pelziges Wesen im Topflappenkasten und sah uns mit seinen dunklen Knopfaugen an. » Mutti, das ist kein Eichhörnchen «, berichtigte ich,» das ist eine Ratte!« » Dann kümmert Euch darum,« sprach sie, und schlug die Küchentür zu.
Ich lief ins Labor und teilte Vater die Neuigkeit mit. » Du siehst doch, im Augenblick kann ich nicht aus dem Labor weglaufen, sonst wird mir der Kunststoff hart « sagte er, und das sah ich wohl ein. Das Problem musste schnell gelöst werden, denn sonst sah es mit dem Mittagessen nicht gut aus. So schnappte ich mir einen kleinen Hammer, der zum Öffnen der Gipsküvetten diente, und eilte in die Küche. Brav saß die Ratte noch im warmen Kasten und sah mich an. Wohl denn dachte ich, Du oder ich! Nach dem ersten Schlag sprang das Tier im hohen Bogen aus dem Kasten und flüchtete sich in eine Nische zwischen Herd und Küchenschrank. Das war sein Verderben. Mit mehreren Schlägen, die Ratte quietschte erbärmlich in ihrer Todesangst, beendete ich das Drama. » Die Jagd ist vorbei «, rief ich Mutter zu, und sie ordnete an, den Rattenrest sofort in die Mülltonne auf den Hof zu bringen.
Ein paar Tage später löste sich das Rätsel, woher die Ratte gekommen war. Es gab wieder Rattenalarm in der Küche. Mutter zeigte nur stumm auf die Lüftungsklappe über dem Herd. Dort spielten ungeniert zwei noch nicht ganz ausgewachsene Ratten zwischen den Klappenlamellen. Dieses Mal hatte Vater Zeit, sich der Sache selbst anzunehmen. Er tat dies in einer Art und Weise, die seinen friedliebenden Charakter wieder einmal zeigte. Zuerst holte er aus dem Sprechzimmer eine Glasflasche. Dann zog er vorsichtig am Hebel der der Lüftungsklappe, und das genau in dem Moment, in dem beide Ratten zu uns hinuntersahen. Jetzt waren sie festgeklemmt. Nun halfen wir Vater auf den Herd zu klettern. Er entnahm seiner Kitteltasche die Glasflasche, sie enthielt Chloräthyläther, sprühte beiden Kandidaten etwas auf die Nasen, worauf sie sofort betäubt einschliefen. Danach öffnete er die Lamellen, sodass die Ratten betäubt, aber lebend wieder im Keller landeten. In der Hoffnung, dass dies erzieherisch auf die Tiere gewirkt haben müsste, verließ Vater die Küche.
Es muss sich wohl unter den Nagern herumgesprochen haben, aber seit diesem Tag hatten wir nie wieder Besuch von ihnen.
. (Fortsetzung der Serie am nächsten Sonntag) . © Dieter Kermas Photo Credit: Dieter Kermas – Berlin 1953 “Blick aus unserer Wohnung” –———————————————————————————————————————————————

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