Essays by Dieter Kermas – (Part 14)
.Riskantes Unterfangen
Das Haus an der Sponholzstrasse war für viele Brennmaterialsuchende ein Glückstreffer gewesen, den es aber leider nur sehr selten gab. Die anderen Ruinen waren von allen brennbaren Dingen so gründlich befreit worden, dass man nun daran gehen musste, riskantere Wege zu finden, um an Brennholz zu kommen. So begann man nun die Balken, die die Geschossdecken trugen freizulegen, und herauszusägen. Diese Arbeit war gefährlich, und die Polizei hatte die Anweisung, gegen diese Art der Holzsucher hart vorzugehen. Irgendwann stellten wir fest, dass unser Holzvorrat bald zu Ende gehen würde. Nur ein kläglicher Rest von kleingesägten Eisenbahnschwellen, wir hatte durch einen glücklichen Umstand mehrere Zentner davon bekommen, lag noch im Keller.
Bei einem meiner Streifzüge durch die Ruinen hatte ich in der Wielandstraße in einem Haus in der dritten Etage eine Decke entdeckt, wo ein schöner dicker Balken frei von einer Zimmerseite zur anderen zu sehen war. Ob bereits jemand anderes hier am Werk gewesen war, konnte ich nicht feststellen. Ich berichtete von meinem Fund, und Mutter war sofort fest entschlossen, sich diese Beute nicht entgehen zu lassen. In diesem Fall jedoch, wir rechneten mit der Möglichkeit von der Polizei erwischt zu werden, mussten wir jemanden haben, der » Schmiere « stehen sollte. Die Wahl fiel auf Vater, der unser ganzes Unternehmen als unnötig und zu gefährlich fand. Wir überredeten ihn, und er kam widerwillig mit.
Es war vereinbart worden, dass Mutter und ich den Balken absägen sollten, und dann aus dem Fenster auf die Straße in den Vorgarten werfen wollten. Wenn sich jedoch irgendwo eine Uniform blicken lassen sollte, musste Vater pfeifen, und wir würden uns mucksmäuschen still verhalten. Zur Tarnung hatte Vater unseren Hund Peggy mitgenommen, der sich bereits wunderte, warum er, nachdem er brav sein » Geschäft « verrichtet hatte, immer noch nicht nach Hause laufen durfte.
Mutter sägte erst eine Seite durch, das dauerte, dann die andere Seite, und der Balken krachte ins zweite Geschoss. Mutter musste sich nun erst einmal verschnaufen. Dann wuchteten wir gemeinsam, das heißt, ich hing mehr dran, als dass ich heben konnte, den Balken auf die Fensterbrüstung. Dann schoben wir ihn mit letzter Kraft soweit hinaus, bis er sein Gleichgewicht verlor und in die Tiefe sauste. Erschöpft blickten wir nun aus dem Fenster, um zu sehen, wo er gelandet war. Er lag, wie geplant im Vorgarten.
Ganz und gar nicht eingeplant aber war der Polizist, der neben Vater stand und recht ungläubig diesen haarsträubenden Vorgang verfolgte. Er gab uns ein Zeichen, sofort herunterzukommen. Wir näherten uns vorsichtig der Ordnungsmacht. Was nun meine Eltern mit ihm besprochen hatten, ist mir entfallen. Nicht entfallen ist mir die Tatsache, dass er sich nach einer Weile von uns entfernte und seinen Streifengang fortsetzte. Ebenso wenig habe ich nicht vergessen, wie Mutter Vater ins Verhör nahm, und fragte, warum er nicht gepfiffen habe. Vater sagte, dass er mehr Angst um uns gehabt hätte, als um alles andere, und dauernd nur auf die Geräusche aus dem Haus gelauscht hatte. Als er dann den sich bereits schon sehr nahe befindlichen Polizisten entdeckte, konnte er vor Aufregung keinen Pfiff über die Lippen bringen.
Das Ende der Geschichte war, dass wir unseren Balken, der eine Länge von ungefähr fünf Meter hatte, nun problemlos auf unserem Wägelchen heimwärts ziehen konnten. Verwunderlich im Nachhinein ist zu vermerken, dass am gleichen Abend unser Polizist in Zivil bei Vater aufkreuzte und nach kurzem Verweilen wieder ging.
Nach diesem Vorfall konnten wir Vater nie wieder dazu bewegen, an einer unserer Aktionen teilzunehmen. Lieber würde er erfrieren, als uns auf unseren Raubzügen zu begleiten, meinte er.
Ungewöhnliches Kohlendepot
Eine andere Möglichkeit an Brennmaterial zu kommen, ergab sich dadurch, dass sich nicht allzu weit weg der Güterbahnhof Wilmersdorf befand. Vom Ende der Lauterstraße gelangten wir über einen kopfsteingepflasterten Weg bis an den Zaun des Güterbahnhofes. Hier standen auch die Güterzüge mit Kohlen. Um an die Kohlen heranzukommen, bedurfte es eines Schlachtplanes. So wurde vereinbart, dass zuerst die fast erwachsenen Jungen, nachdem sie über den Zaun geklettert waren, die Waggontüren aufschieben, und sich mit Kohlen eindecken sollten. Danach konnten wir Steppkes auch unsere Beutel und Taschen füllen.
So konnte ich oft meinen amerikanischen Brotbeutel mit Presskohlen gefüllt nach Hause schleppen. Anfangs ging der Plan auf. Dann aber, als die entwendeten Mengen zu groß wurden, wurde der Güterbahnhof von Bahnpolizei mit Hunden bewacht. Wir beobachteten die Rundgänge und fanden bald heraus, wann wir genug Zeit hatten, um unsere Beute zu holen. Das Spiel hatte urplötzlich ein Ende, als die Bahnpolizei auf den Gedanken kam, die Hunde nicht mehr an der Leine zu führen, sondern frei im Gelände laufen zu lassen. Da nützten auch die schnellsten Beine nichts mehr, die Hunde wären stets schneller gewesen.
(Fortsetzung der Serie am nächsten Sonntag) Photo: izismile.com .———————————————————————————————————————————————

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