Seltsame Tomaten
Das Frühstück am Sonntag auf dem Balkon, das gehörte zum Abschluss der Woche.
So war es auch an diesem Sonntag. Mutter hatte mich nicht geweckt und so beeilte ich mich, auf den Balkon zu kommen. Der Tisch war gedeckt und ich quetschte mich in meinen Stuhl, der etwas zu dicht an der Wand stand. Ich schnappte mir ein Brötchen und begann es aufzuschneiden.
Da hörte ich Vater fragen: „Unsere Tomatenpflanzen sind in diesem Jahr aber besonders groß, oder?“ Ich schaute von meinem Brötchen hoch und warf einen Seitenblick auf unsere Tomaten. Was sollte da nun besonders sein, sie waren doch seit gestern nicht höher gewachsen. Mein Brötchen war mir im Moment wichtiger als unsere Tomaten. Mit den Worten: „Die Tomaten sehen aber in diesem Jahr gar nicht gut aus“, wandte sich meine Mutter an mich und fuhr fort, „was meinst Du dazu?“ Was interessieren mich die blöden Tomaten, dachte ich. In der Hoffnung, dass ich nach einem weiteren Blick auf die Pflanzen, mein Brötchen dann endlich genießen zu können, sah ich nochmals auf unsere Balkonkästen.
Zwischen den Blättern sah ich etwas Gelbes hängen. Ach, das hatte Vater gemeint. Aber was war das, was dort hing? Kurz entschlossen und ehe meine Eltern reagieren konnten, griff ich nach dem Gegenstand und zerrte daran. Leider war das gelbe Ding, das ich nun in der Hand hielt, so fest an der Pflanze befestigt, dass ich fast die Pflanze samt der Erde herausriss.„Langsam, langsam“, bremste mich Vater, „warte, ich helfe Dir.“ Mit einem Schnitt hatte er den hinderlichen Bindfaden durchtrennt und nun konnte ich meine Beute in Ruhe betrachten.
Ja, das war also eine Banane, dachte ich. Abbildungen von Bananen hatte ich in meinen Büchern und auch in Filmen gesehen. So schön gleichmäßig gelb wie auf den Bildern war sie ja nicht, mit den vielen braunen Flecken, aber das hinderte mich nicht, sofort herzhaft hineinzubeißen. Bäh, war das widerlich. Meine Zähne fühlten sich sofort stumpf an und der Geschmack enttäuschte mich zutiefst. Was sollte daran lecker sein?
Meine Eltern konnten sich vor Lachen nicht halten. Was ist denn nun wieder los?Unter Prusten sagte Vater: „Du musst zuerst die Schale abmachen, dann schmeckt sie auch besser!“ Ach so, nun war alles klar. Ich pellte die Frucht und biss zögernd ein Stück ab. Ja, das war doch etwas ganz anderes. Süß und aromatisch, so wie ich mir immer eine Banane vorgestellt hatte. Wo hatten meine Eltern diese Rarität im Jahr 1951 nur herbekommen?
Zwei, drei Happs und die Banane war verputzt. Oh, nun hatten meine Eltern nichts abbekommen. Schnell sah ich noch einmal auf unsere Tomatenpflanzung. Ein Glück, ich entdeckte noch zwei im Blattwerk versteckte Bananen. Vater reichte mir ein Messer und ich durfte zur Bananenernte schreiten. Als ich dann die Bananen für uns in kleine Stücke schneiden wollte, hörte ich Vater „aber vorher schälen bitte!“
© Dieter Kermas
——– Photo: © Bambuswald.de —————————————————————————————————————–
Let us know what you think!