
Es begann in Berlin
Essays by Dieter Kermas – (Part 1 )
.Die Reichshauptstadt Berlin konnte seit einiger Zeit auch nicht mehr von den feindlichen Bombergeschwadern geschützt werden, und so hasteten wir, wie Tausende Berliner durch Fliegeralarm aufgeschreckt, fast jede Nacht in den Keller.
Meine wenigen Erinnerungen an die Zeit der Bombenangriffe sind ausgefüllt mit dem tiefen Gebrumm der Flugzeugverbände, den weißen, tastenden Fingern der Scheinwerfer am nächtlichen Himmel, die versuchten feindliche Flugzeuge zu finden, dem Geheul der Sirenen und den ersten brennenden Häusern auf der anderen Seite unserer Straße. Die Zeit im Luftschutzkeller verbrachte ich auf einer bunt bemalten Bauerntruhe, die oben mit Decken abgepolstert war.
Da man nie wusste, ob der Strom ausfallen würde, brannten und blakten zur Sicherheit einige Petroleumlampen und ein paar sogenannte Hindenburglichter. Das waren flache Pappbüchsen, etwas kleiner als eine Schuhputzdose, die mit Stearin und einem Docht versehen, recht lange brannten.
Die Kellerdecke war mit Balken und Stützen zusätzlich abgesichert. Hätte das Haus einen Volltreffer erhalten, wäre uns damit auch nicht mehr geholfen. Ab und zu schien der Keller zu schwanken, Putz rieselte von der Decke und der dumpfe Lärm der Bomben drang bis zu uns. Zum Ärger unseres Luftschutzwartes, Herrn Rother, blieb Vater in der Wohnung und saß im Labor meist an irgendwelchen zahntechnischen Reparaturen, die noch bis zum nächsten Tag fertig werden sollten. Erst als Vater eine in den Dachboden eingeschlagene Stabbrandbombe entdeckte, und diese durch ein Bodenfenster in den Hof geworfen hatte, gab es sogar Lob und Anerkennung vom Luftschutzwart.
Noch eine Sache ist mir bis heute ganz lebendig vor Augen, besser gesagt, höre ich noch so deutlich wie damals. Es war das Erkennungssignal des Londoner Rundfunks. Sobald die Nachrichtenzeit herangekommen war, setzte sich Vater vor das Radiogerät, stellte den Sender ein und drehte die Lautstärke ganz leise. Dann hörten wir gleichmäßig die Paukenschläge: » Bumm, bumm, bumm « und etwas tiefer » bumm «. Hätte man Vater beim Abhören des Feindsenders erwischt, hätte dass mit Sicherheit fatale Folgen gehabt.
Für jeden realistisch denkenden Menschen war klar, dass der Krieg jetzt Deutschland erreicht hatte, und es nicht lange dauern würde, bis die Kämpfe Berlin erreichten.
So beschloss Vater, meine Mutter und mich am 20. August 1943 aus Berlin zu evakuieren und zu Oma Toni ins Sudetenland, nach Neustadt zu schicken.
(Fortsetzung der Serie am nächsten Sonntag)
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